Polo sollte sich ändern ?

Überall und in jeder ordentlichen Polozeitung erscheinen in den letzten Jahren immer wieder Artikel über notwendige Veränderungen im Polo. Das ganze Thema wurde sicherlich 2009 durch die wirklich gut argumentierte Veröffentlichung von Javier Tanoira "Refecting on Polo in Argentina" Gedanken oder auch Rückspiegelung über das Polo in Argentinien angestachelt.

 

Javier Tanoira:

 

Er stammt aus einer der berühmten argentinischen Polodynastien. Sein Vater Gonzalo Tanoira (1944-2004), ehemaliger +10 Goal-Spieler in den 70er und 80er Jahren, unzählig seine Erfolge auf den Poloplätzen dieser Welt, 2001-2004 Präsident des argentinischen Poloverbandes AAP, wurde 2009 in die "Hall of Fame" des Polo-Museums in Florida aufgenommen.

Seine Mutter Luisa Miguens, Estancia Polospielerin, schrieb das Buch Passion and Glory- A Century of Argentine PoloNoch zu seinen Lebzeiten bat ihr Mann sie Fotografien zu sammeln, um die Geschichte des argentinischen Polosportes zusammen zu stellen. Dieses Buch war also die Beendigung eines gemeinsamen Lebenswerkes und die Huldigung der trauernden Witwe an Gonzalo Tanoira, einem der größten Spieler weltweit und die goldene Epoche des "Polo-Argentino".

 

Javier selber erreichte ein Handicap +7, ein engagierter Profi-Polospieler und Schiedsrichter, er war unter anderem 1989 im argentinischen Team bei der FIP Weltmeisterschaft in Berlin (!) und nach seinem heiß diskutierten Essay gründete er jetzt die All Pro Polo League. Das ist ein Verein mit dem Ziel rein professionelle Poloturniere in der ganzen Welt zu organisieren. Diese Liga spielt mit eigenen Poloregeln, um ein schnelleres und offenes Polo zu fördern. Den Nachwuchstalenten soll in dieser Liga die Chance gegeben werden, ohne die üblichen finanziellen Belastungen wachsen zu können.

 

Was genau sind die Mängel, um die es geht?

 

Wenn man diese Diskussion beginnt, sollte man erst einmal das Vokabular festlegen, über das man hier spricht, damit man eben nicht falsch verstanden wird. Wenn wir in diesem Zusammenhang von High Goal sprechen, reden wir von der argentinischen Polosaison von September bis Dezember und Teams zw. 30 - 40 Handicap. Reden wir von Medium Goal sind das die weltweiten "High Goal" Turniere, wie die US Open, der Gold Cup in England, Sotogrande, Deauville, alles im Bereich um 22 Handicap. Hier befindet sich die Poloindustrie, und hier spielen die sogenannten "Patrons", reiche Sponsoren, die sich ein Team aus einem bis zu 3 professionellen Polospielern zusammenstellen und eben für alle Kosten aufkommen, im Gegenzug aber selber mitspielen.

 

offen oder geschlossen

 

An erster Stelle wird sicherlich bemängelt, dass gute Spieler, daher in der Regel die Profis, die schlechteren Spieler in ein Foul laufen lassen. Das begründen die Poloregeln, Wer die Balllinie hat, hat meist auch das Wegerecht und diese darf nicht gekreuzt werden. Was zur Folge hat, dass es jedem Spieler, der nicht im Ballbesitz ist leichter fällt ein Foul zu begehen, als der Spieler im Ballbesitz. Was ist in den letzten Jahren passiert, das dies als Problem angesehen wird? Früher wurden lange weite Schläge bevorzugt, die das Spiel schnell und offen machten, dann wartete der Patron vorne auf das Anspiel und schlug nur kurze Bälle oder verschlug sogar, eine neue Ballline öffnete sich und die Kontrahenten konnten dadurch einen Gegenangriff starten. Die Profis verbesserten ihre Hand-Ball-Koordination und versuchten im Ballbesitz zu bleiben, in dem man eben weniger weite Schläge absolvierte, sondern durch kurze Schläge, teilweise auch "tapping" schön selber die Ballline bestimmen konnte und so den Gegnern weniger Chancen gab. Wenn man es kann, ist das doch nur zu verständlich. Die HPA reagierte mit der "Checking-" und der "One-Tapping-Regel" auf diese Entwicklungen (HPA 2015 Regel 33 o. Stopping or Slowing down on the ball - On Tape Rule / HPA 2016 Annex B Regel 17 b. Crossing and Turning the Ball; 17 c. Blocking and Tapping, 17 e. Checking) - und an dieser Stelle bitte ich die interessierten Leser, einfach mal das Regelbuch aufzuschlagen, hier geht es wirklich ans Eingemachte Leute!.

Die selbe Strategie - wer auf der Balllinie ist kann schwerer ein Foul begehen - führt im Low Goal zur typischen Spieltaktik "Zug" oder "Kette" genannt. ein Spieler ist am Ball, die Mitspieler reihen sich - eben nicht vor ihm ein, um einen Pass zu erwarten - sondern hinter ihm auf einer Linie (idealerweise in einer Linie direkt auf der Balllinie), falls der erste Spieler den Ball verliert, damit der nachfolgende Spieler gleich wieder mit Wegerecht an den Ball kommt und so weiter, am besten bis ins Tor.

Also eine Spieltaktik, im Low Goal unerlässlich, im Medium und High Goal verteufelt.

 

Zurück zum High Goal, warum macht die Spielfähigkeit einiger weniger Spieler das Polo von heute für die Zuschauer unattraktiver? Je mehr eine Mannschaft im Team spielt, sich also in eine günstige Position bringt und Pässe abgegeben werden, desto verletzlicher wird diese Mannschaft. Solange ein Spieler im Ballbesitz und auf der Linie ist, die er ja durch seine Ballfertigkeiten selber bestimmen kann, sowohl im Tempo als auch in der Richtung, solange dominiert sein Team den Spielverlauf. Resultat die Spieler laufen alleine durch bis zum Tor und die Gegner haben kaum Chancen ohne ein Foul zu begehen, das Spielgeschehen wieder zu drehen. Was passiert? Der Gegner versucht es und die Mannschaft im Ballbesitz bekommt durch ein begangenes Foul einen Freischlag zugesprochen.

 

mehr Rhythmus weniger Fouls

 

Ganz ehrlich, welche Spiele wollen wir uns ansehen? ein absolut kaputt gepfiffenes Low Goal Spiel, was nur steht oder lieber ein deutsches Medium wo der Ball am Laufen ist, wo Geschwindigkeit aufkommen kann, weil es eben nicht ständig durch Fouls zum Stillstand kommt? Natürlich das rasante Polo und leider ist vorgenannte Spieltaktik, den Gegner zu einem Foul zu zwingen, wenn er versucht das Spielgeschehen zu ändern, eben die erfolgsversprechendere Taktik, die die ehrgeizigen Polospieler von heute verständlicherweise verfolgen.

 

mehr Backhander für ein offeneres Spiel

 

Es gibt kaum eine Regel, die nicht mit der Vermeidung von Risiken zu tun hat, außer vielleicht die "Walking" Regel, die zuerst in den USA und als "One-Tapping" Regel in Europa übernommen wurde. In Argentinien nach den AAP-Regeln aber immer noch nicht gilt.

 

 

HPA 2010-2015 Regel 33 o Stopping or Slowing down on the Ball - One Tap Rule

Der Spieler mit dem Ball, der sich entscheidet zu stoppen oder bis auf Schrittgeschwindigkeit zu verlangsamen, wenn er herausgefordert wird, dabei aber weder geblockt noch abgeritten wurde,  darf den Ball entweder nur einmal tappen, muss ihn dann aber sofort liegen lassen (must leave it), oder muss wieder mit dem Ball beschleunigen oder ihn wegschlagen. Sollte er den Ball für einen Mitspieler liegen lassen, dann muss dieser Spieler sofort mit dem Ball weiterlaufen oder den Ball weiter schlagen. Der nächste Spieler hat nicht die Möglichkeit zum tappen.

 

HPA 2016 Regeln Teil 2 Anhang B 17b Crossing and Turning the Ball 

Kreuzen und mit dem Ball Drehen . Ob ein Spieler einen anderen Spieler in einer Art und Weise kreuzt, die ein Foul bedeutet, obliegt dem Urteil der Schiedsrichter und hängt von ihrer Beurteilung der Gefahr ab, basierend auf Geschwindigkeit und Entfernung . In einem offenen Spiel ist die Entscheidung meist einfacher, aber schwieriger, sobald ein Spieler  mit dem Ball dreht und ein Gegner hinter ihm unmittelbar folgt . Der folgende Spieler ist verpflichtet auf diesen Spielzug zu reagieren und kann daher nicht dafür verurteilt werden, wenn er „checked“ – also Geschwindigkeit verlangsamt – oder in Erwartung auf den Backhander dreht. Die Schiedsrichter müssen beurteilen wie groß diese Verpflichtung ist und sollten vorbereitet sein, den drehenden Spieler vor einer eventuellen Kollision zu bestrafen.

HPA 2016 Regeln Teil 2 Anhang B 17c Blocking and Tapping 

Blockieren und Tappen. Ein Spieler darf die Vorwärtsbewegung eines Gegners im Ballbesitz nicht blockieren, indem er sich selber so positioniert, dass sein Gegner sich nicht vorwärts bewegen kann. Einem Spieler im Ballbesitz sollten ca. 5 Fuß (1,5m) breit erlaubt sein, gemessen vom Ball zum Spielers Nearside Bein in Verlängerung der Balllinie. Blockieren (oder Beschatten) egal bei welcher Geschwindigkeit und sollte sofort gepfiffen werden und jede Strafe muss das Feld bewegen. In der Regel wird die Strafe 5a (Hit from the Spot) für die Verletzung dieser Regel verhängt.

HPA 2016 Regeln Teil 2 Anhang B 17e Checking

(i) Ein Spieler „checked“ mehrmals, um ein Abreiten zu vermeiden, sei es, weil er weiß, dass er geschlagen wird oder um ein Foul zu provozieren, auf der Grundlage, das sein Gegner nicht sicher vor ihm eingeschert ist. Es ist Ermessenssache, ob der Spieler checked  und sein Gegner sicher einschert oder ob er checked, um ein unangemessenes (nasty) Abreiten zu vermeiden. Einer der Spieler wird immer anderer Meinung sein , so liegt der Schlüssel in Konsequenz. 

(ii) Sollte ein Spieler checken, so dass ein Gegner sicher vor ihm einscheren kann, dann darf der Spieler danach auch nicht wieder beschleunigen, um von hinten in den Gegner hineinzureiten.

 

Das ist eine Regel, die es auch in vielen anderen Sportarten gibt, ein Basketballspieler darf nur 3 Schritte machen, ohne den Ball zu dribbeln, Beim Fussball darf selbst der Torwart den Ball nur 5 Sekunden in der Hand behalten, bis er ihn wieder wegschießen muss und viele andere ähnliche Regeln in anderen Ballsportarten.

 

Die Auslegung der One-Tapping-Regel war nicht ganz eindeutig und wurde 2016 siehe oben entsprechend nachgearbeitet. Man diskutierte jahrelang, ob/dass der Spieler nicht mit dem Ball drehen darf, er würde ja verlangsamen, dann darf er nur noch einmal tappen, was wiederum dazu führen sollte, dass mehr Backhander geschlagen werden, für den Fall, dass ein Verteidiger in den Ballbesitz kommt, was wiederum das ganze Spiel offener gestalten würde.

 

Ist dieses Ziel mit den Regeländerungen 2016 erreicht worden?

Man kann zumindest verfolgen, hier wird von Seiten der Offiziellen viel über Änderungen und die Formulierung von entsprechenden Regeln nachgedacht. 

 

mehr Geschwindigkeit = mehr fun

 

Kritiker finden, das High Goal von heute wäre weniger schnell als das High Goal noch vor 20 Jahren, alles kam mit der Ära von Cambiaso. Wir haben heutzutage ein viel besseres Pferdematerial, die Organisationen hinter den High Goal Mannschaften sind viel professioneller, als früher, die Spieler leben mittlerweile alle nur vom Polo und dem Verkauf ihrer unglaublichen Pferde, nicht wie die großen Pololegenden die alle noch einem anständigen Beruf nachgingen und Polo auch auf höchstem Level als Amateure nachgingen, Heute steckt viel Geld hinter den Kulissen, wer in Palermo gewinnt, kann in der amerikanischen, asiatischen oder europäischen Saison andere Preise aufrufen, als die anderen, sorry, aber das ist Fakt.

Wie kann es da sein, das Kritiker behaupten Polo sei langsamer? Früher wurde in einer Geschwindigkeit durchgespielt und die war fullspeed. Heute gibt es zwei Geschwindigkeiten: fullspeed, wenn ich im Vorteil bin und ein Galopp, ich will nicht gleich Canter sagen, aber die Geschwindigkeit wird raus genommen, wenn ich nicht im Vorteil bin, wenn man seine Mannschaft sortieren muss, wenn der Weg nicht eindeutig ist, es wird abgewartet, bis man wieder im fullspeed zum Tor allein durch sprinten kann. Um den Pferden diese extremen Wechsel und Beschleunigungen abverlangen zu können, werden die Pferde ebenfalls viel häufiger gewechselt als früher. Schon im Medium Goal ist es heutzutage üblich 3 Pferde pro Chucker zu spielen. Auch das ein Kritikpunkt, die Unterbrechungen zum Pferdewechsel, egal wie schnell dieser verläuft, machen das Spiel uninteressanter als früher, es pausiert. 

 

Patronpolo kontraproduktiv

 

wow wow wow, ich finde das ist ein sehr heikles Thema und daher verweise ich, gerade wenn wir hier in Deutschland darüber diskutieren, auf die eingangs erwähnten Spielklassen, Medium Goal ist nicht unser deutsches Medium Goal! bitte in diesem Diskurs nie vergessen.

 

Tja wie soll ich das Thema anfangen, Der englische The Telegraph hat am 29.08.16 einen Artikel veröffentlicht mit dem provokativen Titel: Polo Patrons müssen vom Spiel zurücktreten, um den Sport und die Professionellen zu steigern. Die Theorie, die hinter diesem Artikel steckt und grundsätzlich richtig wäre, ist, warum gibt es eigentlich keine reinen Profipolospieler, die gegeneinander spielen, wie auch in anderen Sportarten. Dies würde den Sport an sich vorwärts bringen.

Die aktuelle Team-Zusammenstellung weltweit im Medium Goal (wir erinnern uns 16-22 Goal) ist doch folgende: ein "Patron" (Teambesitzer/Sponsor) mit einem Handicap so zw. +1 bis +3, zwei hochkarätige erfahrene Profispieler und ein meist jüngerer Nachwuchsspieler, dem mindestens die Kosten erstattet und die Pferde zur Verfügung gestellt werden.

 

Klar ist der Patron der schlechteste Spieler in der Mannschaft, weil er ja nicht nur Polo spielt, sondern vielleicht noch sein Multi-Internationales-Unternehmen führen muss, um sich das leisten zu können. Insofern gehe ich da mit der Überlegung konform, ein Polo ohne Patrons wäre ein sportlicheres Polo, ABER...

Und da wären sie wieder unsere kleinen Probleme. Wo sind denn die Sponsoren, die eine ausschließlich aus Profis bestehende Liga finanzieren würden? Sponsorengelder im Polosport kommen doch nicht den Teams oder den Spielern direkt zu Gute, die bekommen die Veranstalter für das ganze Rahmenprogramm, zu dem die Sponsoren ihre Kunden dann einladen dürfen. Die Teams werden eben durch die mitspielenden Teambesitzer finanziert.

Wenn eine High Goal Mannschaft für die Teilnahme bei der Palermo Open in Buenos Aires 100.000 US Dollar Sponsorgelder bekäme, würde das nicht einmal für die Tierarzt- und Transportkosten des Turniers ausreichen; nur um hier einmal eine Zahl zu nennen. Außerdem haben weltweite Finanzkrisen auch nicht dazu beigetragen, dass sich die Sponsoren nur so um Möglichkeiten reißen, um ihr Geld in eine nicht wirklich medienwirksame Randsportart wie Polo zu stecken. Ich glaube, hätten wir die Polospieler mit den dicken Brieftaschen nicht, die dann ihre eigenen Firmen zum Sponsoring einer Mannschaft, bei der sie wenigstens selber mitspielen dürfen, Polo wäre weltweit heute nicht so verbreitet, wie es ist. Trotz vieler regionaler Bemühungen schaffen es andere Nationen einfach nicht an das Niveau der Argentinier heranzukommen, unumstritten, selbst eine Polonation, wie England hat derzeit keinen Spieler über +7 Handicap, die Zeiten der Hipwood Brüder (ehemalige Britische +9 Goaler) sind vorbei. 


Ganz ehrlich ich glaube nicht, dass die jetzigen +7 Goaler es schaffen würden in die Liga der +10 Goaler aufzusteigen, nur, weil man sie nur noch in einer rein Professionellen Polo Liga ohne Patrons spielen läßt. Und ich glaube auch nicht, dass sich durch eben diese Profiliga mehr Zuschauer zu den Poloturnieren einfinden würden und dadurch der Sport für potenzielle Sponsoren interessanter werden würde. Meines Erachtens würde hier viel Geld in wenige Spieler fließen und der Sport an sich und die vielen anderen Clubs, die vielen kleinen Turniere, die sich auch finanzieren wollen und um Zuschauer boomen, würden eher noch mehr untergehen und diese Entwicklung halte ich dann für kontraproduktiv für den Sport. - ich bin nur Blogger, ich darf hier meine persönliche Meinung äußern

 


So und bitten jetzt kommt mir nicht mit der Diskussion über Patron Polo in Deutschland. Das ist ein ganz eigenes Problem und kann gerne ein andermal durchleuchtet werden.

In dem Sinne allen Aktiven fairplay, egal auf welchem Level ihr spielt, Hauptsache Ihr habt Spaß!! 

POLO  POLO  POLO

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